Harlem days and Harlem nights

Sonntag 29.04.12

Heute ist Sonntag und da gehen wir erst einmal in die Kirche. Wir haben geplant, an einem Gospel Gottesdienst teilzunehmen, allerdings war das, was wir vorab im Internet gelesen haben nicht so erbaulich. An der einen oder anderen Kirche laufen sie schon mit Bussen auf. Aber auch hier ist Heidi wieder eine Bank, sie hat natürlich einen Tipp, wo es noch relativ ursprünglich ist. Also entscheiden wir uns, die Zeit zu investieren und nach dem Frühstück geht es los.

Auf der Straße herrscht irgendwie Sonntagsatmospähre, der Himmel ist strahlendblau, es fahren relativ wenig Autos und dafür sind viele Familien mit Kindern zu Fuß unterwegs. Alle im besten Zwirn. Links an der Ecke hat sich vor einer Kirche schon eine ca. 50 m lange Menschhenschlange aufgebaut, das sind die mit dem Bus. Wir gehen rechts die Straße hinunter und stehen nach ca. 500 m vor einer ehrer unscheinbaren Tür mit der Überschrift "Shiloh Baptist Church" Wir öffnen die Tür und betreten einen Vorraum, eine Dame im weißen Dress, sie sieht ein wenig aus wie eine Krankenschwester, empfängt uns, führt uns in die Kirche und weist uns unseren Sitzplatz zu. Rechts am Gang sitzt bereits ein älterer Herr, der uns alle mit Handschlag begrüßt. Hey Bruder.

Die Kirche ist nur mäßig gefüllt und ist abgesehen von den Holzbänken und einem großen Holzkreuz an der gegenüberliegenden Wand gar nicht mit der deutschen Variante vergleichbar. Sie sieht eheraus wie eine Aula. Vorne eine Bühne auf der ein Rednerpult und eine Reihe großer Lehnstühle steht. Vorne links ein Klavier, rechts eine alte Hammond Orgel und ein Schlagzeug. Damit das Ganze auch in der letzten Reihe gehört wird, hängen an den Wänden riesige Boxen. Und wenn ich sage riesig, dann meine ich riesig!
Das Publikum besteht zum größeren Teil aus Frauen, wbei hier eher der Typ Ella Fitzgerald als Whitney Houston vorherrscht. Ein gaz großes Thema ist der Hut! Unzählige Formen und Farben trohnen auf den krausen Haaren, die ich so noch nie gesehen haben. Die Männer sind in der Regel jenseits der 60, wobei man das bei den Schwarzen nicht immer so sagen kann, und ich meine ich hätte auch Ray Charles gesehen.
Langsam füllt sich die Kirche und neben uns finden sich noch einige weitere Touristen ein. Leider gibt es auch hier die Fraktion derer, die den Gottesdienst mit einer Aufführung von Sister Act verwechseln und meinen sie müßten das Ganze in unzähligen Fotos, am besten noch mit Blitz, festhalten. Die werden allerdings von der Krankenschwester sofort zur Ordnung gerufen. Und wenn das nicht hilft, greift meine Frau schon mal genervt ein.

Der Gottesdienst beginnt zunächst ohne den Prediger. Vor der Bühne baut sich eine Reihe von Leuten auf, die nebeneinander stehend ein erstes Lied anstimmen, der ein odere andere stimmt zwischendurch so etwas wie eine Predigt an, aus der Menge in den Bänken kommen zustimmende Zwischenrufe. So geht das eine gute halbe Stunde und die Stimmung steigt. Der Rythmus hält bereits nach wenigen Takten keinen mehr auf den Bänken, es wird geklatscht und getanzt. Das Ganze geht weiter, als der Prediger erscheint. Es kommen verschiedene Mitglieder der Gemeinde, darunter auch Kinder auf die Bühne und jeder liefert seinen Beitrag, erzählt Verse aus der Bibel oder liest die Veranstaltungstermine der nächsten Woche vor, ein Kinderchor singt. Es ist keine Einzelleistung sondern die Veranstaltung der ganzen Gemeinde, immer wieder untermalt von Musik. Dreiviertel der Veranstaltung findet im Stehen statt, aber selbst beim letzen Viertel stehen die meisten, weil ein Großteil der Körperteile von der musik mitgerissen wird. Zu guter letzt kommt die Predigt, die eine gute Stunde dauert und die Leute auf die nächste Woche einstimmt. Der Prediger predigt stimmgewaltig ohne Zettel, und das Ganze steigert sich im Laufe der Stunde zu einer unglaublichen Lautstärke, immer wieder unterbrochen durch Beifallsbekundungen aus dem Publikum. Nach gut 3 Stunden ist das Erlebnis mit sehr viel Gänsehaut vorbei. Kirche zum Anfassen eben.

Für den Rest des Tages haben wir eine Bootsfahrt um Manhattan Island geplant, also nehmen wir die Metro in die City, wo wir zunächst eine Kleinigkeit essen, um anschließend weiter zum Pier zu ziehen. Leider ist das letzte Schiff für diesen Nachmittag gerade weg, so dass wir kurzfristig umdisponieren müssen. Wir kaufen daher die Karten für den Bootstripp am nächsten Tag und beschließen nun das Flat Iron Building zu besuchen, was wir ja bereits am Vortag auf dem Zettel hatten, aber leider nicht mehr geschafft haben.
Flat Iron heißt auf deutsch Bügeleisen und spielt auf die Form des Gebäudes an. Was anderes ließ sich damals aufgrund der Grundstücksform nichr realiseren, wurde aber einmalig gelöst. Auf dem Weg dorthin zwingt uns das übliche Metroproblem der letzten Tage zum umdenken. Wer jetzt denkt, wir sind zu blöd zum U-Bahn fahren, dem sei gesagt, dass es nicht so ist, wie es scheint. Auf einer Linie verkehren jeweils lokale Züge die an jeder Haltestelle stoppen und Expresszüge, die nur bestimmte Statioen anfahren. Das ist superpraktisch, wenn mal man schnell irgendwo hin muß, aber voll doof, wenn man aus Versehen den falschen Zug besteigt. Und das passiert relativ schnell, weil das wann und wo zumindest für Touristen nicht immer eindeutig geregelt ist. Wir landen also nicht am Flat Iron Building, sondern zwei Stationen weiter am Union Square. Hier hat man auf einem großen Platz Stühle aufgestellt, die Sonne scheint und um die Ecke ist ein Starbucks. Wir genehmigen uns also erstmal einen Kaffee und lümeln ein wenig in der Sonne. Danach geht es durchs Viertel weiter zum Flat Iron Building. Tolle Architektur. Direkt dahinter leuchtet in einiger Entfernung das Empire State Building in der Sonne. Das Gebäude ist irgendwie ein Fixpunkt in der Stadt, der immer mal wieder aus der Skyline hervorsticht. Spontan entschließen wir uns, noch hinauf zu fahren, um die Stadt von oben zu genießen. So geht bei uns Stadtbesichtigung.

Wir haben Glück, den die Schlange reicht nicht mal aus dem Gebäude heraus, dennoch dauert es fast eine Stunde bis wir die Aussichtsplattform erreichen. Zunächst werden Taschen und Besucher gescannt wie am Flughafen, danach werden alle Besucher fotografiert und im Photoshop auf die Aussichtsterasse montiert. Beim Herunterfahren kann man das Produkt dann für 20,-- Dollar kaufen. Es lebe die Digitalisierung.

Als wir endlich oben ankommen, ist die Sonne schon fast verschwunden, aber der Blick von oben ist atemberaubend. Leider ist es auch sch...kalt, den der Wind hat in den letzten Tagen nicht nachgelassen. Irgendwann gehen die ersten Lichter an und überall in der Stadt glitzert es. Für anständige Fotos könnte ich jetzt ein Stativ gebrauchen, aber das ist leider verboten. Ist mir klar, denn die Aussichtsplattform ist ein ca. 1,50 m breiter

Weg um das Gebäude herum, prall gefüllt mit Touristen aus aller Herren Länder. Nachdem die Fotos im Kasten sind und uns allmählich frisch wird, treten wir die Rückreise an. Die Qualität der am Eingang geschossenen Fotos ist unterirdisch, was in erste Linie an der dilletantischen Photomontage liegt. Ich vermute trotzdem, dass sie reisenden Absatz bei den Besuchern finden.


Wir beschließen, eines der Restaurants in unserem Viertel auszuprobieren. Leider nehmen wir- ihr ahnt es wahrscheinlich schon - zum wiederholten Mal die falsche Metro, so das wir zwar in der 137. Straße landen, aber im westlichsten Teil. Beim Blick in den Stadtplan stellt sich dan heraus, dass wir diese nicht einfach hinunter gehen können, weil mittendrin der Komplex der Columbia Universität im Weg steht. Aber da wo Studenten sind, gibt es in der Regel auch günstiges Essen. Also kehren wir gegenüber beim Chinesen ein, wo es super Essen von guter Qualität und zum super Preis gibt. Anschließend fahren wir mit der Metro noch 2 Stationen weiter und pilgern noch 15 Minuten durch das nächtliche Harlem, bis wir gegen 23:00 Uhr unsere Unterkunft erreichen. Alles völlig ungefährlich, aber ich warte noch auf den Tag, wo Heidi aus Sorge die Polizei ruft.

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