Indien nach dem Regen

Heute Morgen geht es weiter nach Bikaner. Irgendwann in der Nacht hat es aufgehört zu regnen und der Himmel ist aufgezogen. Das Wasser steht allerdings auf den Feldern und in den Straßen, was den Gesamteindruck nicht verbessert. Manche Ortschaften auf unserem Weg stehen knietief im Wasser und wir tasten uns in einer Reihe Fahrzeuge langsam durch den Ort. Asphalt beschränkt sich zumindest auf unserer bisherigen Route auf die Straße und der Bürgersteig besteht in der Regel aus gewachsenem Boden, der nach einem Wolkenbruch natürlich schnell schmierig ist.

 
Wir fragen uns wie Bikaner auf unsere Liste gekommen ist. Der erste Grund: es ist ein Zwischenstopp auf dem Weg nach Jaisalmer. Der zweite Grund ist der Karni Mata-Tempel in Deshnok, 30 km südlich von Bikaner, im Volksmund auch Ratten-Tempel genannt. Die Fahrt dauert knapp 4 Stunden, also Zeit genug, etwas am Blog zu schreiben. Gegen Mittag ein kurzer Zwischenstopp mit Pinkelpause an einer „Raststätte“. Wir haben immer noch das Problem, dass Rewat meint, er müsste uns in solche Touri-Läden schleppen, obwohl wir der Meinung sind, dass wir auf höfliche Art kommuniziert haben, was wir für Vorstellungen haben. Aber hier ticken die  Fahrer wohl ähnlich wie bei uns, er bugsiert uns ins Restaurant und verschwindet. Vermutlich zu seinen Kumpels – denn Wagen stehen genug vor der Tür – wo er ein kostenloses Essen abgreift. Wir beschließen hier nichts zu Essen und nehmen jeder einen Chai. Die Qualität ist im Vergleich zu denen der vergangenen Tage unterirdisch und der Preis mit 80 Rupien geradezu unverschämt. Ich vermute, dass war das Mittagessen für Rewat.  Auf dem restlichen Weg diskutieren Bine und ich die weitere Vorgehensweise, um solche Aktionen zukünftig zu vermeiden.
Los geht es als wir Bikaner erreichen. Wir haben uns aus dem Reiseführer eine Restaurantempfehlung herausgesucht, wo es einfaches aber gutes Essen geben soll, also machen wir das, was wir am besten können, das Programm umwerfen. Wir sprechen mit Rewat und Fragen ihn wie die weitere Planung aussieht und er sagt Besichtigung der Kamelfarm, evtl.  Fort und anschließend Ratten-Tempel. Wir erläutern ihm, dass wir zunächst zum Lunch in die Stadt möchten, und anschließend einfach mal durch die Stadt bummeln möchten. Das Fort lassen wir weg - kennst Du eins, kennst Du alle -  und die Kamelfarm besuchen wir am Nachmittag. Den Rattentempel verschieben wir auf Morgen früh.
Da wir zahlen, muss er tun, was wir sagen, aber jetzt erwacht der Soldat in ihm. Er fängt hektisch an zu telefonieren. Er erkundigt sich nach dem Restaurant. Zum einen weiß er nicht wo es ist, zum anderen – und das ist schlimmer – weiß er nicht wie es ist. Dank des Plänchens in unserem Reiseführer führe ich ihn zielsicher durch das quirlige Bikaner ans Ziel. Dafür bekommt der deutsche Tourist den vollen Respekt seines indischen Fahrers. Bevor wir uns ins Restaurant verabschieden, meint Rewat, dass er uns einen Fahrer mit Tuk-Tuk besorgt, der uns in 30 Minuten hier abholt und durch das Gewirr der Altstadt zu den verschiedenen  Sehenswürdigkeiten bringt. Während wir im Restaurant sitzen, marschiert er draußen auf und ab. Hätte er einen Knopf im Ohr, könnte man meinen, wir waren Mr. Und Mrs. President. Langsam beginne ich zu begreifen, wie der Bursche tickt. Er hat einfach Angst, dass wir ihm unterwegs verloren gehen oder nicht mehr von der Toilette kommen.
Wir bestellen ein Samosas mit einer scharfen Kartoffelfüllung, sowie ein paar frittierte Bällchen mit Käse und Kräutern (Paneer Pakora)und zum Schluss ein Dosa, das ist ein knuspriger Reispfannekuchen in den eine Füllung gerollt wird, in unserem Fall süß-scharfes Obst. Damit es besser rutscht, gibt es ein Wasser obendrauf und für die bessere Verträglichkeit zwei Willi aus unserem Flachmann. Der ganze Spaß kostet uns 183 Rupien (2,60 €), soviel zum Tee von heute Morgen.
Als wir aus dem Restaurant treten, wartet Rewat bereits mit dem Tuk-Tuk Fahrer im Schlepptau, ein kleines Männchen mit silbergrauem Haar. Wenn er lächelt, leuchten zwei schiefe Zahnreihen in den unterschiedlichsten Farben, wobei das Braun überwiegt. Los geht es am Fort vorbei durch die Stadtmauer in die Altstadt. Wir schauen uns ein paar Havelis an die, was Größe und Ausschmückung angeht sehr imposant, aber generell in einem bedauernswerten Zustand sind. Danach geht es  zum großen Basar. Unser Fahrer lässt uns absteigen, erklärt uns den Weg („Immer geradeaus!!!!!“ und verspricht, uns am Ende beim Tempel wieder in Empfang  zu nehmen.


Ein irres Spektakel. Auch hier ist es durch den Regen der vergangenen Nacht noch etwas dreckiger  geworden, aber die Einzelnen Stände mit Obst, Gemüse, Gewürzen und anderen Lebensmitteln. Durch die umstehenden Gebäude und die Kleidung der Menschen sieht es hier schon deutlich anders aus, als in Asien, teilweise habe ich den Eindruck, ich bin bei Ali Baba und die 40 Räuber.

 
Der Gang über den Basar fordert alle Sinne. Immer wieder beeindruckende Farben, appetitanregende Gerüche und tolle Fotomotive und zwischen allem stinkende, hupende Tuk Tuks und Kamelkarren. Nicht zu vergessen die Inder, die uns natürlich sofort als Touristen erkennen und versuchen, ins Gespräch zu kommen.
Nach einer Weile gelangen wir zum örtlichen Hindu-Tempel – übrigens der erst in unserem Urlaub – wo unser Fahrer bereits wartet. Als wir hinein gehen werden wir vom Brahma empfangen. Brahmanen sind die Tempeldiener, die dafür sorgen, dass alles läuft und sauber ist. Er spricht relativ gutes Englisch und kann einiges zur Geschichte erzählen.

Plötzlich stößt eine indische Kleinfamilie zu uns, Mutter, Tochter und zwei Freundinnen. Die Mutter 37 Jahre alt, die Mädels zwischen 16 und 20. Sie gackern wie ein Hühnerhof und sind offensichtlich total stolz, auf westliche Touristen gestoßen zu sein. Ruck-zuck kommt eine ganze Batterie Handys zum Vorschein und es werden unzählige „Inder mit Tourist“- und „Inder mit Brahma und Tourist“-Fotos geschossen. Hinsichtlich der Brahmanen muss ich nochmal ein wenig nachlesen. Sie stellen in Indien die erst Kaste, dürfen aber heiraten. Unserer trägt zudem eine ganze Reihe Silberkettchen auf seinem freien Oberkörper, henna-gefärbtes Haar und kommt mir bei den Fotos verdächtig nah. Der Besuch im Tempel mutiert langsam zum Foto-Shooting und führt am Ende zu zwei neuen Facebook-Freundinnen für Bine, so dass wir uns langsam verabschieden und zum Ausgang begeben.


Auf dem Tuk Tuk geht es  zurück über den Basar durch das hupende Bikaner bis zu einem Parkplatz, wo Rewat bereits auf uns wartet.
Es ist mittlerweile 17:00 Uhr, aber wir beschließen, der Kamelfarm noch einen kurzen Besuch abzustatten. Angeblich handelt es sich hierbei um die größte Zuchtstation in Asien, ist aber nicht so der Brüller. Jede Kamele eben, in verschieden Arealen untergebracht. Am interessantesten noch der Mutter-und-Kind-Bereich mit den Kleinen. Hier hätte vermutlich ein Führer Sinn gemacht, der ein bisschen was über die Anlage, die verschiedenen Bereiche und ihre Funktionen erzählt. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit – die Anlage schließt um 18:00 Uhr haben wir aber darauf verzichtet.
Hier endet unser heutiges, etwas modifiziertes, Tagesprogramm und Rewat bringt uns zum Hotel. Wir wohnen im Laxmi Nivas Palace, wobei wir dem „Palace“ nur untergeordnete Bedeutung beigemessen haben, die Hotels haben hier alle blumige Namen. Tatsächlich aber handelt es sich um einen Palast, der noch privat genutzt wird und von dem man Teile – vermutlich des Geldes wegen – zu einem 5-Sterne-  Hotel umgebaut hat. Das Ding ist der Hammer. Ein Riesengebäude auf einem riesigen, gepflegten Gelände. Da braucht man schon mal einen Wagen, um die Post vom Briefkasten zu holen. Drinnen alles hochfeudal, vom Empfang, über die Bar bis zum Trophäenzimmer. Wohnen wie bei Maharadschas.


Was man in der Euphorie leicht vergisst, das waren früher nicht nur Prunkbauten, sondern auch Zweckbauten. Die einzelnen Wohntrakte sind um einen offenen Innenhof angeordnet. Hier fangen sich die Sonne und die Wärme. Damit die Wärme draußen bleibt verfügen die Zimmer über kleine Fenster, die mit einem Steinrelief versehen sind. Was von außen klasse aussieht, führt dazu, dass die Buden innen mehr oder weniger stockdunkel sind. Das Zimmer ist mal eben 55m2 groß, das riesige Doppelbett würde im Ernstfall auch für 4-6 Personen reichen. Die Einrichtung ist weitestgehend dem Ambiente angepasst, nur das Bad, dessen Armaturen vermutlich ebenfalls kurz nach Maharadschas Zeiten installiert wurde, könnte etwas moderner sein.
Wir stellen erst einmal alles in die Ecke und beschließen, den Palast etwas näher zu erkunden, bevor die Sonne verschwindet. Unglaubliches Gebäude, die Jungs haben es bereits früher richtig krachen lassen. Am Abend geht es noch kurz in die Bar denn dort gibt es neben Cocktail und Bier auch Wi-Fi, und  anschließend für einen kurzen Snack ins hauseigene Restaurant. Am Nachbartisch sitzt ein älteres Ehepaar, welches wir bereits gestern und heute Vormittag auf den Rastplätzen getroffen haben. Die beiden kommen aus Schottland und sind auf  ihrer zweiten Indienreise, nachdem sie im letzten Jahr Indien mit dem Zug (!) bereist haben. Wir dachten immer, wir wären ein wenig speziell im Bezug auf Urlaub, aber es geht offensichtlich noch besser. Satt und zufrieden fallen wir in das Bett des Maharadschas.

Kommentare

  1. Hallo Ihr Beiden! Wir verfolge Eure Reise mit großem Interesse. Ihr habt ja in wenigen Tagen schon gewltige Eindrücke von Indien gewonnen und ganz tolle Fotos eingestellt. Agnes wird immer zeitnah von uns über Eure Aktivitäten informiert. Wir wünschen noch schöne Urlaubstage, viele Sehenswürdigkeiten und bleibt gesund. Die Volmarsteiner

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