Jaisalmer - die goldene Stadt

Was gestern noch passierte… Wir erreichen gegen 18:00 Uhr Jaisalmer, die Stadt am Rande der Wüste, und weil wir etwas spät dran sind, geht es direkt zum Sonnenuntergang an einen der Sunset Points. Früher wurde hier die Toten verbrannt und in reich verzierten Gruften, aus meiner Sicht eher Tempeln, beigesetzt. Im Licht der untergehenden Sonne schafft dies eine besondere Atmosphäre, Dazu der Blick auf die Stadt, deren Sandsteingebäude nun in ein goldenes Licht getaucht werden, weshalb sie den Beinamen „Die goldene Stadt“ bekommen hat.

Danach geht es ins Hotel Fifu, wo wir die nächsten 3 Tage unser Quartier beziehen. Das Fifu ist nicht das Hotel unserer Wahl, in erster Linie weil es etwas außerhalb der Stadt liegt, und wir lieber ein Hotel im Fort gehabt hätten. Ca. ein Drittel der Stadt befindet sich innerhalb der Mauern des Forts. Alte Bauten und enge Gassen, dazu einen Blick auf die restlichen zwei Drittel der Stadt die am Fuße des Forts liegen, das macht den besonderen Reiz aus. Auch wenn es extremes Touristengebiet ist. Bereits in unserer ersten Planung hatten wir zwei Unterkünfte im Fort vorgeschlagen, und von Anfang an war der Vorschlag unseres Tour Operators das Hotel Fifu. Es war ein Hin und Her an Mails, aber irgendwie ist es dann doch schief gelaufen. Als wir davon erfuhren, war es bereits zu spät um noch gegenzusteuern und wir wissen bis heute nicht, ob es Schusseligkeit oder Absicht war, weil das Hotel vielleicht einem entfernten Cousin gehört. Dementsprechend war die Vorfreude was Jaisalmer betrifft etwas getrübt und wir sind gespannt, was uns erwartet.

Die Lage ist natürlich bescheiden - das konnte man im Google schon sehen - ebenso das Umfeld, wobei ich mittlerweile die Erfahrung gemacht habe, dass es in zumindest in Rajasthan oft erst hinter der Eingangstür schön wird. Das Fifu erwischt einen ziemlich schlechten Start, den das Zimmer ist – um es vorsichtig auszudrücken – furzklein und der Blick aus dem Fenster fällt auf ein riesiges Notstromaggregat das  nicht nur bescheiden aussieht, sondern im Bedarfsfall vermutlich auch noch einen Höllenlärm macht. Das ist der Moment, wo meine Frau etwas in Rage gerät. Nach einer kurzen aber deutlichen Ansage ihrerseits tut sich plötzlich ein noch anderes Zimmer auf, eine Etage höher mit Blick nach hinten raus. Nachdem wir einwilligen es für diese Nacht zu nehmen, und morgen gegeben falls das Hotel zu wechseln, bekommen wir für morgen zwei  weitere, noch bessere Zimmer in Aussicht gestellt. Geht doch.

Wir lassen uns von Rewat in die Stadt bringen,  denn wir haben uns ein Restaurant aus unserem Reiseführer gesucht, wo es gute einheimische Küche gibt. Rewat muss mal wieder fragen, aber etwas später sitzen wir inmitten einer Traube von Indern und studieren die Speisekarte. Spezialität des Hauses ist Thali. 

Auf einem großen Blechteller mit verschiedenen Vertiefungen gibt es Reis, Brot sowie unterschiedliche Beilagen und zwar solange bis der Gast abwinkt.  All you can eat auf  indisch. Das Essen ist komplett vegetarisch und bietet einen guten Überblick. Gemischtes Gemüse, Kartoffeln, Wüsten-bohnen und –sträucher, von mild bis scharf. Indien ist das Paradies für Vegetarier. Warum bekommen wir das bei uns nicht hin? Warum muss es immer Grünkernfrikadelle sein?

Gegen 22:00 Uhr holt Rewat uns wieder ab. Er wollte uns zwar ein Tuk Tuk andrehen, aber wir haben drauf bestanden. Da kann er sich bei seinem Chef bedanken, im Fort wäre das nicht passiert. Bevor die Nacht beginnt, müssen wir noch etwas Raumspray auf der Toilette verteilen – hier gibt es offensichtlich ein Abflussproblem – und ich muss die Mieter gegenüber noch animieren, den Ventilator im Bad auszuschalten, der lautstark direkt gegen unserer Zimmertür in den Flur bläst. Incredible India.

Am nächsten Morgen scheint die Sonne in unser Zimmer und die Toilette riecht immer noch. Nach dem Frühstück – auch nicht so doll – geht es in die Stadt. Wir haben für den Vormittag wieder einen Guide, der uns die Highlights im Fort erklärt. Wir besuchen einige Tempel, steigen auf verschiedene Roof-Top-Bars um die Aussicht zu genießen, und schlendern durch die Gassen. Zwischendurch müssen wir immer wieder die verkaufstüchtigen Händler abwehren, die uns in ihre Läden ziehen wollen. „.. I have different colours and sizes inside. Come in and look, it’s free“.


Highlight des Vormittags ist ein versteckter Tempel im Gewirr der Gassen, wo die Einheimischen lautstark beten und singen. Anschließend besuchen wir noch zwei Havelis, bevor wir zum Abschluss der Tour noch einen kleinen Happen in der Stadt zu uns nehmen. Im Gegensatz zu unserem Rewat hat unser Guide ziemlich schnell verstanden, was wir wollen, und wir essen an einer Straßenküche ofenfrische Samosas aus der Hand für kleines Geld.

Wir treffen Rewat am Parkplatz, der uns zurück ins Hotel bringt und gegen 16:00 Uhr wieder abholen will. Bleiben uns also gut 2 Stunden, um auf der Dachterrasse des Fifu – einer der Lichtblicke des Hotels - etwas zu entspannen. Zunächst aber schauen wir uns die zwei versprochenen Zimmer an. Wir bekommen ein größeres mit mehr Ablageflächen und Blick auf das Fort. Das Toilettenproblem reduziert sich deutlich, bleibt uns  aber grundsätzlich erhalten. Dafür gibt es eine Dose Raumspray gratis und im Bad ein Fester zum Lüften.

Nachmittags holt Rewat uns ab und es geht zur „ unvergesslichen Kamel-Safari in die Wüste Thar“. Meine Lieben, was stellt ihr euch vor, wenn ihr so etwas lest? Vermutlich das Gleiche wie wir. Es geht eine knappe Stunde mit dem Auto Richtung Wüste, und die Fahrt endet an einem kleinen Anwesen oder Gehöft, welches mit einer Mauer eingegrenzt ist Drinnen stehen mehrere Steinhäuser, die vermietet werden – umgerechnet 10 EUR pro Nacht incl. Frühstück und Abendessen. Das erfahren wir von einem dänischen Ehepaar Ende 50, die vier Wochen mit dem Motorrad durch Indien unterwegs sind. Es gibt schon Verrückte…. Aber sehr nett.

 Draußen warten bereits die Kamele und nach einem kleinen Chai geht es los. Wir zwei sind alleine und jeder von uns bekommt ein Kamel und einen Führer. Ich sitze auf, das Kamel erhebt sich auf Zuruf und zwar zuerst hinten und dann vorne. Ich kann gerade noch vermeiden, dass  ich kopfüber in den Sand falle, nicht aber das alle Weichteile unterhalb des Bauchnabels nach vorne in den Sattel gedrückt werden. Autsch. Die beiden Inder ziehen die Kamele hinter sich her und es geht gemächlich in Richtung der in der Ferne aufragenden Sanddüne. Das Ganze hat etwas von Ponyreiten im Kreis auf dem Weihnachtsmarkt, bietet aber etwas Entspannung für die sattelnahen Körperteile. In der nächsten halben Stunde lerne ich, dass Kameltreiber nicht wirklich oben auf der Karriereleiter stehen, und das ein Kamel während des Laufens Pupsen, Pullern und sonst noch einiges mehr machen kann.

 Der Ritt auf die Düne endet nach ca. 25 Minuten, also quasi hinter der Haustür. Bis auf den letzten Meter glaube ich, dass hinter der Düne die große Sandwüste anfängt, aber Fehlanzeige. Das hier ist Wüste light, mit Bäumen und Sträuchern, für mich eher eine Luftnummer. Wir sitzen ab, suchen uns eine ruhige Ecke soweit das hier möglich ist, denn auch hier ist man nicht allein, und versuchen uns auf den Sonnenaufgang zu konzentrieren. Der versinkt aber auf den letzten Metern im Dunst. Wenn’s einmal läuft. Zum Trost begleiten wir das Schauspiel mit einem kühlen Bier, welches wir bei einem der Händler erstehen, die hier auf der Düne die Touris versorgen.

So ein Kamelsattel hat Platz für zwei und so nehmen die beiden Vögel jeweils hinter uns Platz. Jetzt kommt etwas Schwung in die Sache, das Kamel trabt die Düne hinunter, während mein Inder alle paar Meter in den Sand spuckt und schmatzende Laute von sich gibt. Ich glaube, er spricht mit seinem Kamel. Während dessen konzentriere ich mich darauf, mich möglichst locker zu machen, damit die Schmerzen sich im Rahmen halten.
Wieder am Gehöft angekommen, wurden dort bereits Stühle aufgebaut und ein paar Inder sitzen in der Mitte des Hofes auf Decken und machen Musik. Nachdem wir ungefähr seit November die Bollywood Hindi Hits via Internet hören, sind wir ja quasi schon trainiert, aber die Musik ist nicht unbedingt was für westliche Ohren. Später am Abend soll es noch typisches Essen geben. Angesichts der etwas mageren Qualität des Kamelritts haben wir auf der Düne überlegt, ob wir das Event stornieren sollen, entscheiden uns aber nun, dabei zu bleiben, weil die Vorbereitungen schon so weit gediehen sind.

Wir setzen uns in weiche Korbstühle, ordern ein kühles Bier und harren der Dinge die da kommen. Die kommen in Form einer indischen Reisegruppe, ca 45 Personen, die meisten jenseits der 60, ca. 70% Frauen. Der Häkelclub Rajasthan? Es wurden bereits vorher reichlich Stühle hinzu gestellt und da diese nicht reichen, werden noch einige Decken auf den Boden gelegt, auf denen die Männer Platz nehmen. Wir bekommen unser Essen, das dem Thali von gestern sehr ähnlich ist, und die Musiker laufen zur Hochform auf. 

Im Gegensatz zu uns verstehen die Inder was gesungen wird, und das Ganze wird in regelmäßigen Abständen durch entsprechendes Gejohle unterbrochen. In der Mitte des Platzes wird ein Feuer entzündet, um das nun eine junge Inderin tanzt. Bauchtanz mit und ohne Schalen auf dem Kopf, dazu die ein oder andere Gymnastikübung. Das Publikum ist begeistert. Zum Abschluss geht sie durchs Publikum und fordert zum Tanz auf. Das ist der Moment, wo der Häkelclub die Krücken wegwirft und ums Feuer tanzt. Auch ich bleibe nicht verschont, aber so kommt man ins Gespräch, und Komplimente gibt es auch. Die Mädels kommen aus einem Dorf nahe Mumbai und sind in drei Tagen mit dem Bus bis hierher gefahren, um sich Rajasthan anzusehen und in paar Tagen geht es wieder zurück. Wieder drei Tage.

Rewat hat sich zwischenzeitlich zu uns gesetzt. Er ist in den letzten Tagen etwas lockerer geworden, was er durch eine helle Hose und Turnschuhe dokumentiert. Uns ist aber auch aufgefallen, dass er abends wenn er uns abholt, vorher bereits einen oder zwei getrunken hat. Dann wird das Ganze nochmal gesteigert. Heute kommt er geradezu aus sich raus, so dass wir uns fragen wie wohl die Heimfahrt verlaufen wird, aber bis auf ein paar Schlenker läuft alles glatt. Im Hotel angekommen, sitzen wir noch eine Weile in unserem Erker, trinken uns einen Old Monk – ich glaube wir brauchen bald eine neue Flasche- und gehen dann zu Bett.
 

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