Der Feind kommt in der Nacht
Gegen 03:00 Uhr morgens ist die Nacht vorbei. Bine wird
durch das Fiepen eines Moskitos geweckt, und ich drehe mich bereits seit
einiger Zeit unruhig hin und her, denn das Gefühl in meinem Magen ist wie kurz
vorm Finger im Hals. Eines der vielen Dinge die wir heute gegessen und
getrunken haben war wohl zu viel oder um. Das ist der Moment von Superwoman und
ihrer 130,-- EUR teuren Reiseapotheke. Anti-Brumm für die Bettdecke und
sämtliche Körperteile die darunter hervorschauen und Maloxan sowie ein paar
Globolis für den Magen. Am Ende der Nacht fehlen uns dann 1 -2 Stunden Schlaf,
aber wir können die Alarmstufe auf das normale Maß zurückfahren.
Nach dem Frühstück, welches zumindest bei mir heute aus
Toast und Tee besteht, während Superwomann beherzt zu Samosas und Ketchup greift, geht aus auf zur City-Tour in und um Jaipur.
Zuerst der
Palast der Winde, eine prächtige Fassade, hinter der früher die Haremsdamen
gesessen und auf die Straße gesehen haben .
Wenn man solche Dinge im
Reiseführer liest und Fotos sieht, hat man ja eine gewisse Vorstellung. In
diesem Fall ist die Realität eine völlig
andere. Das Gebilde sieht zwar genau so
aus, liegt aber inmitten einer Häuserzeile, direkt an der Straße. Alleine wäre
ich vermutlich vorbeigelaufen. Das es sich hier wirklich nur um eine Fassade
handelt, schießen wir ein paar Fotos und weiter geht es nach Amber Fort, einer
alten Königsstadt etwas außerhalb von Jaipur. Das Fort wurde 1600 erbaut und
thront auf einem Bergrücken, der Aufstieg erfolgt zu Fuß oder auf dem Rücken
eines Elefanten.
Normalerweise bin ich nicht für solche Sachen, weil da auch
viel Tierquälerei hinter steht, aber nach Aussage unseres heutigen Guides macht
jeder Elefant pro Tag nur 5 Touren. Und
ich denke mir 2 mittelschwere Europäer den Berg hinauftragen ist allemal
besser, als tonnenschwere Baumstämme durch den Wald zu schleppen. Unser Guide
liefert uns am Ende der Schlange ab, die gute 150 m lang ist. Da nur 2 Touris
auf einen Elefanten passen und das Tempo eher gemächlich ist, dauert es eine
gute Stunde, bis wir an der Reihe sind. Diese Zeit verbringen wir in der schon
kräftig scheinen Sonne umgeben von unzähligen Händlern die einem allerlei wertvolles
Zeug verkaufen wollen. Angefangen bei Sonnenschirmen, Hüten und Wasser –
erzielt heute vermutlich die besten Preise -
bis hin zu Turbanen, T-Shirts oder Speicherkarten. Dazwischen Touristen,
die sich in unterschiedlicher Intensität wehren und wiederum andere die fleißig
kaufen und ihre Schätze stolz zur Schau stellen. Ich bin mir nicht sicher, was
schlimmer ist.

Auf dem Rücken geht es gemächlich den Berg hinauf, und auch
hier wird Business gemacht. Ein Händler bietet
selbstgenähte bunte Decken an. Zwei Engländerinnen auf dem Elefant
hinter uns schauen nicht schnell genug weg und der Inder wittert seine Chance,
zumal die Eine unten bereits einen Sonnenschirm erstanden hat. Wir beginnen bei
3000 Rupien, ungefähr 43,-- EUR. Feilschend marschiert er neben dem Elefanten
den Berg hinauf. Nach einiger Zeit wirft er die Decke zum Prüfen nach oben und
bietet 1.500 und als die Engländerin die Decke wieder nach unten wirft, sind
wir bei 1.000. Sie bleibt hart und irgendwann gibt er entnervt auf, aber merke
50 – 70 % Discount sind immer drin. Dann gibt es noch die Papparazzis, Inder
die mit ihren Digitalkameras am Weg stehen und dicke Europäer auf dicken
Elefanten fotografieren. Den Berg hinab geht es zu Fuß und da werden die
potenziellen Kunden zielsicher mit dem Riesenstapel Abzüge in Einklang gebracht
und aus der Menge herausgepickt.
Der Palast ist ein
riesiges Areal mit Paradeplatz, Tempel, Audienzhalle, Haremsbereich, und, und,
und. Viele Sachen sind sehr gut erhalten und man bekommt ein gutes Bild davon,
wie die Jungs hier früher gelebt haben. Auch unser Guide – eine Investition
die sich an solchen Orten grundsätzlich
loht – kann einiges Hintergrundwissen beisteuern. Die Runde dauert knapp zwei
Stunden und beeindruckt. Beim Ausgang bietet man uns die ersten Fotos an wir
feilschen 2 Stück auf 50 Rupien (1,50 €) runter. Weiter unten treffen wir auf
Marco, er hat sich uns beim Fotografieren vorgestellt (I’m Marco, remember my
name) und bietet uns 6 Fotos für 300 Rupien an. Da wir bereits Fotos haben, ist
er in einer relativ schlechten Ausgansposition. Wir spielen guter Kunde – böser
Kunde, ich fange an und feilsche bis 100, gehe aber weiter und Bine macht bei
50 Rupien den Sack zu. Also haben wir die ersten doch zu teuer gekauft. Jetzt
haben wir für ca. 1,50 € 8 Fotos die man eigentlich keinem zeigen kann, denn
zwei Touris auf einem Elefanten mit Sultan sieht ziemlich beknackt aus. Aber
trotzdem ist es später mal eine schöne Erinnerung.
Es geht zurück nach Jaipur zum Mittagessen und diesmal
nehmen wir nur eine Portion, die wir teilen, was auch völlig ausreicht. Nach
dem Essen die übliche vom Guide inszenierte Shopping Tour. Jaisalmer ist das
weltweite Kompetenzcenter für Edelsteinbearbeitung und daher ist es keine
Frage, dass wir uns das mal ansehen wollen. Wir lernen, welche Steine hier
gegraben werden und welche woanders zugekauft werden, wie sie im Rohzustand
aussehen, wie und mit welchen Mitteln sie bearbeitet werden, wie sie danach
aussehen und was die guten von den weniger guten unterscheidet. Echt interessant.
Jetzt folgt der zweite Teil, die eigentliche Verkaufsveranstaltung. Man kann
und will den Mann nicht vor den Kopf
stoßen, also spielen wir das Spiel. Der Verkaufsraum ist gespickt mit
Klunkern in allen Variationen,
angefangen bei Ringen, über Manschettenknöpfen, Armbänder bis hin zu Colliers.
Alles in gold oder Silber mit Rubine, Smaragd, Diamant und vieles mehr. Wir
konzentrieren uns relativ schnell auf Ringe in Silber, nachdem die
grundsätzliche Ausführung geklärt ist, was bei der Auswahl schon eine Weile
dauert, geht es in einen intimen Verkaufsraum, wo in verschiedenen Boxen kleine
Tütchen aufbewahrt werden. Darin befinden sich geschliffene Steine in
unterschiedlichen Größen und je nach Tüte unterschiedliche Farben. Wir lernen
relativ schnell, dass rubinrot nicht gleich rubinrot ist und in einem ähnlichen
Geschäft in Europa mindestens 5 Mann mit einer Kanone rumlaufen würden. Die
Steine werden gewogen und daraufhin der Wert ermittelt. Noch kurz den richtigen
Durchmesser des Ringes ermittelt und dann Butter bei die Fische. Ein Silberring
mit einem Rubin 2,5 Karat liegt bei 250,--EUR, der Herrenring mit einem blauen
Saphir ähnlicher Größe bei 200,-- EUR – unverhandelt. Keine schlechten Preise
für deutsche Verhältnisse. Jetzt sind wir dran, wir erklären dem Inder, dass
solche Entscheidungen in Europa gut durchdacht werden, und wir uns zunächst
eine Tasse Tee genehmigen, um zu entscheiden. Er trägt es mit Fassung und beim
Hinausgehen nimmt er mich nochmal zur Seite und murmelt „If you need a discount,
talk to me“. Ganz bestimmt!
Es geht weiter zum City Palace, wo heute noch der amtierende
Maharadscha wohnt (ich dachte so etwas gibt es gar nicht mehr). Zwei Sachen
möchte ich hier kurz erwähnen. Zum einen das Freiluft-Observatorium Jantar
Mantar. Hierbei handelt es sich um 18
riesige astronomische Messgeräte aus Stein, die
um 1730 vom damaligen Mogul konstruiert wurden. Die Instrumente sind so
gebaut, dass
über den Schattenwurf der Sonne auf den Markierungen der Steinoberfläche Position und Bewegung von Sternen und Planeten ablesen und die Zeit bestimmen lässt. Highlight ist eine 27 m Sonnenuhr mit der sich die Zeit bis auf 2 Sekunden genau bestimmen lässt. Wahnsinn.
über den Schattenwurf der Sonne auf den Markierungen der Steinoberfläche Position und Bewegung von Sternen und Planeten ablesen und die Zeit bestimmen lässt. Highlight ist eine 27 m Sonnenuhr mit der sich die Zeit bis auf 2 Sekunden genau bestimmen lässt. Wahnsinn.
Danach geht es in den City Palace. Hier werden gerade
Vorkehrungen für eine Hochzeit getroffen. Nach Meinung der Inder gibt es pro
Monat zwei Tage die aufgrund der Position der Sterne besonders günstig sind für
eine Hochzeit, da sie besonderes Glück verheißen. Die Tage für den Februar sind
heute und morgen. Die Miete für den City Palace kostet für den Tag 20.000,--
EUR, hier heiratet also kein Kleiner. Dementsprechend prunkvoll sieht es auf
dem Platz aus, alle Pfeiler werden mit frischen Blumen dekoriert, es gibt
Ruhebereiche für die Gäste, alles wird mit Teppich ausgelegt. Wir bestimmt eine
tolle Party.
Unser Tourprogramm geht zu Ende und wir machen uns auf den
Weg zum Wagen. Auf dem Handy unseres Guides ruft der Edelstein-Inder an, wir
vertrösten ihn nochmal. Unser Guide, der nun merkt, dass es nichts wird mit
seiner Vermittlungsprovision, versucht noch, uns in andere Geschäfte zu
schleppen, was wir aber erfolgreich abwehren. Nachdem wir ihn entlohnt und uns
verabschiedet haben, lassen wir uns zurück zum Hotel bringen. Rewat hat uns
bereits am Vortag geraten, uns beim Edelsteinhändler lediglich zu informieren,
da er eine bessere und günstigere Alternative hat. Wobei ich nicht davon
ausgehe, dass er das selbstlos macht. Wir fahren deshalb noch kurz beim
Diamanten-Dealer seines Vertrauens, aber auch hier können wir uns nicht
entschließen. Letztendlich sind wir aber auch nicht in der Lage die
verschiedenen Qualitäten zu beurteilen und in diesem Fall soll man es lieber
lassen.
Am Abend treffen wir uns mit Ashok unserem
Reiseveranstalter, der hier in Jaipur wohnt. Wir hatten im Zuge der Vorbereitung
einen intensiven Mailverkehr mit Änderungen, Extrawürsten und Diskussionen
bezüglich der unterschiedlichen Qualitäten der Hotels. Allerdings muß man zu
seiner Ehrenrettung sagen, dass er immer bestrebt war uns möglichst sicher und
komfortabel unterzubringen und wir auch schon mal was Einfaches wollten (siehe
Delhi). Wahrscheinlich wollte er sich die Typen mal persönlich anschauen. Er
bringt noch eine weiter Kundin mit und gemeinsam bummeln wir ein wenig durch
das abendliche Jaipur, nehmen einen Lassi (Joghurt mit Milch, salzig, Süß oder mit
Früchten) und gehen anschließend zum Essen. Es wird ein netter Abend und wir lernen
aus erster Hand einiges über die indische Mentalität und die weitere
Vorgehensweise in diesem Urlaub. Nach einem letzten Bier auf der Dachterrasse
unseres Hotels liegen wir gegen 23:00 Uhr im Bett,
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